top of page

LIDDY BACROFF - HEINRICH EUGEN HABITZ / 1908-1943


Geboren wurde Liddy Bacroff als Heinrich Eugen Habitz am 19. August 1908 in Ludwigshafen. Sie wurde am 6. Januar 1943 im KZ Mauthausen ermordet.


Liddy Bacroff bezeichnete sich als Transvestit und lebte auf St. Pauli von Prostitution.


„Obwohl Rolf mir 2 Stunden später beim Abschied 20 Mark stillschweigend in meine Handtasche steckte, so glaube ich doch mit Bestimmtheit der Überzeugung sein zu dürfen, dass dieses Erlebnis frei war von jeglichem Dirnentum […] und von Lastern, die wir als Transvestiten alle, mehr oder weniger diesen Weg gezwungen sind, zu gehen […] und zu leben!“


Aus Liddy Bacroffs Aufzeichnungen „Ein Erlebnis als Transvestit“, geschrieben 1931 im Gefängnis. Auslassungen im Original.


Habitz wuchs in Ludwigshafen in keineswegs gesicherten oder bürgerlichen Verhältnissen auf. Die Mutter konnte sich nicht um ihn kümmern. Ein Vater trat nicht in Erscheinung. Er galt als „schwer erziehbar“. Weil er am liebsten mit Mädchen spielte? Weil er Widerstand leistete? Nachgewiesen sind eine abgebrochene Lehre, diverse Gelegenheitsjobs und Vorstrafen wegen Diebstahls und Hausfriedensbruchs. 1929 verhängte das Amtsgericht Mannheim zum ersten Mal eine Strafe nach § 175 wegen „widernatürlicher Unzucht“. In diesem Jahr ging Heinrich Eugen Habitz nach Hamburg, wohnte auf St. Pauli und nannte sich fortan Liddy Bacroff. 1936 erneute Verurteilung nach dem verschärften § 175. Der Paragraph verbot homosexuelle Handlungen zwischen Männern. Mit der Neufassung 1935 zählte jetzt nicht mehr nur der Tatbestand, sondern die „wollüstige Absicht“ des „Täters“. Und entscheidend war jetzt die „objektive Verletzung des Schamgefühls“ der „Volks-gemeinschaft“. Jetzt wurde auch Prostitution von Männern mit verschärften Strafen bedroht. Wegen „gewerbsmäßiger Unzucht“ wurde Bacroff zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Prostitution von Männern für Männer wurde übrigens erst 1973 legalisiert.


Bacroff erhielt zwei bis drei Reichsmark pro Akt. Das waren auch damals keine großen Beträge. Die Kunden lernte sie auf St. Pauli kennen. Sie besserte ihr Einkommen durch kleine Diebstähle auf. Im Polizeibericht hieß es: „Das Verlangen, den Geschlechtstrieb als Mann auszuüben, habe er nie gehabt.“ Mit gefälschten Meldepapieren zog sie in die Simon-von-Utrecht-Straße 79 (damals Eckernförder Straße 78). Bacroff wurde steckbrieflich gesucht, denunziert und am 25. März 1938 im Lokal „Komet“ verhaftet. Ihr Begleiter, der ebenfalls verhaftet wurde, gab an, er habe angenommen, es handele sich bei Bacroff um eine Frau. Im April 1938 stellte Bacroff einen Antrag auf „freiwillige Kastration“ – sicher in der Hoffnung, so der weiteren Verfolgung zu entgehen. Doch das „Gutachten“ eines Gerichtsmediziners vom Gesundheitsamt machte alle Hoffnungen zunichte. Da heißt es: „Als Strichjunge wird er sich vermutlich auch nach seiner evt. Kastration weiter betätigen, weil ihm beim Fehlen der höheren Gefühlskräfte das unmoralische seiner Handlungen, z. B. Geldverdienen durch passive Päderastie als Strichjunge nicht begreiflich gemacht werden kann.


Er fühlt sich in seiner Lebenslage glücklich und denkt nicht daran, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt auf anständige Art und Weise zu verdienen. […] und bleibt er zweifellos ein Sittenverderber schlimmster Art und muß deshalb aus der Volksgemeinschaft ausgeschaltet werden.“

Nach der Untersuchungshaft wurde Liddy Bacroff im Oktober 1938 im Zuchthaus Bremen-Oslebshausen eingesperrt. Nach Verbüßung der Haftstrafe traf sie die „Sicherungs-verwahrung“. Die Rechtsgrundlage für diese zeitlich unbegrenzte Maßnahme war mit dem „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher“ am 1. Januar 1934 geschaffen worden. Ende 1942 wurde sie ins Konzentrationslager Mauthausen verschleppt, wo sie am 6. Januar 1943 ermordet wurde.


Links und Literaturangaben:

Stolpersteine in Hamburg-St. Pauli - Biographische Spurensuche, Hg. Christiane Jungblut und Gunhild Ohl-Hinz, Hamburg 2009 (Publikation der Landeszentrale für Politische Bildung Hamburg)


Ausschnitte aus einem Theaterstück des Theaters Oliv über Liddy Bacroff:


*Bildquelle: Ebru Durupinar Photography

Ein Stolperstein für Liddy Bacroff in der Simon-von-Utrecht-Straße 79


Comments


bottom of page