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DOMENICA ANITA NIEHOFF / 1945-2009



Domenica wurde am 3. August 1945 in Köln geboren. Sie starb am 12. Februar 2009 in Hamburg. Domenica war Prostituierte und Streetworkerin, die sich für Prostituierte engagierte.


„Ihre Stimme war schon von Weitem zu hören, rau, als hätte sie sich am Leben schrundig gerieben. So eine Stimme hat nur, wer sein Geld nicht mit Büroarbeit verdient. Ein Lachen, das Räume füllte. Rasselnd von den vielen Kippen, die sie rauchte.“

Aus dem Nachruf von Tania Kibermanis, Die Zeit, 26.2.2009.


Der Trauerzug für Domenica führte durchs Sperrgebiet und durch die Herbertstraße. Das gab es vorher und nachher nicht. Hunderte kamen zur Trauerfeier in die St.-Pauli-Kirche. Der evangelische Pastor Martin Paulekun verabschiedete die Katholikin aus dem Rheinland, die in der Herbertstraße einer harten Arbeit nachgegangen war: erst als Prostituierte, später als Streetworkerin. Viel Prominenzgetummel und Medienrummel. Nachbar:in und Autor:in Tania Kibermanis: „Im Kielwasser der Berühmtheit schwimmt ja so manches Treibgut mit, das posthum der beste Freund gewesen sein will.“ Warum war sie berühmt? Zunächst ihr Leben im Überblick: Geboren wurde Domenica im zerbombten Köln 1945. Die Mutter war mit drei Kindern vor dem italienischen Vater geflohen, konnte sich aber wegen ihrer Spielsucht nicht dauerhaft um Domenica und ihre Geschwister kümmern. So wuchsen diese in einem katholischen Waisenhaus auf. Danach begann Domenica eine kaufmännische Ausbildung. Sie lebte mit einem wohlhabenden Bordellbesitzer zusammen, arbeitete jedoch nicht im Sex-Geschäft. 1972 erschoss er sich. Domenica begann sich zu prostituieren, erst in München, dann in Hamburg. Anfangs schaffte sie im Palais d’Amour an, später in der Herbertstraße.


Ihr neuer Mann kassierte ab, sie war fleißig – und „säuft sich jeden Abend ins Koma“. In der Herbertstraße freundete sie sich mit dem Chronisten und Fotografen Günter Zint an. Seine Bilder von ihr wurden „Kult“. Sie zeigen sie ganz und reduzieren sie zugleich auf ihren Körper. Zweifellos verfügte sie über eine besondere erotische Ausstrahlung. Ihr melancholischer Blick trug dazu bei. Domenica: „Ich kann sagen, ich bin totgebumst worden.“ Für die Männerwelt war sie Projektionsfläche. Viele Promis und Möchtegern-Promis ließen sich mit ihr ablichten. Fotograf Zint spielte mit und erinnert sich: „Sie war wütend auf diejenigen, die die Prostitution glorifizierten.“ Bühnen- und Fernsehauftritte folgten, sie wurde zur Berühmtheit. Das Image als „Domina“ (dabei bedeutet ihr Name doch „Sonntag“) erwies sich als verkaufsfördernd. Zu ertragen war das für sie nur mit Drogen aller Art.


1990 stieg sie aus und half von da an als Streetworkerin drogensüchtigen Huren (ein Wort, das sie verwendete). Die Diakonie wollte sie wegen ihrer Popularität nicht einstellen, die Stadt schuf zwei Stellen. Ihr Stammplatz war der Hansaplatz in St. Georg. In der Sozialarbeit verausgabte sie sich total. Domenica gab immer mehr, als sie hatte.

Sie übernahm 1998 das „Fick“ am Fischmarkt, gab der Kneipe ihren Namen, träumte von einem ruhigeren Lebensabend als Wirtin. Prominenz ließ sich nur am Anfang blicken. Sie trank und kokste zu viel, Steuerschulden kamen hinzu. Zwangsräumung und Umzug in die Eifel, wo ihr verstorbener Bruder ihr ein Haus hinterlassen hatte. Ein paar Jahre lebte sie dort wie im Exil. Das Heimweh führte sie zurück. Es blieb ihr nur ein Jahr. Sie starb im Altonaer Krankenhaus an einer Lungenkrankheit.


Vieles erinnert an sie: ihr Grab (im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof, gleich rechts neben dem Eingang, neben der Theaterchefin Gerda Gmelin). Ihre Wachsfigur im Panoptikum am Spielbudenplatz. Die Domenica-Niehoff-Twiete in Altona. Und ihre beiden Bücher: das „Kopfkissenbuch“ (1989) und ihre Erinnerungen „Körper mit Seele“ (1994).

Links und Literaturangaben:

Artikel von Rita Bake:


NDR-Artikel:

Der Nachruf, aus dem das Zitat stammt ist aus der ZEIT

Die beiden erwähnten Bücher von Domenica:

Domenicas Kopfkissenbuch

München 1989 (Knaurs Taschenbuch)


Domenica – Körper mit Seele – Mein Leben

Aufgezeichnet von Hans Eppendorfer

München 1994 (Knaurs Taschenbuch)


Bildquelle: Ruth E. Westerwelle, Berlin




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