
Geboren 1642, vermutlich in Hamburg. Sie wurde am 5. Januar 1684 ins Spinnhaus an der Binnenalster eingeliefert und am 12. Januar desselben Jahres in den Pesthof auf St. Pauli (damals Hamburger Berg) verbracht. Catharin Rosenbrock hatte zwölf Jahre als Mann Soldatendienst geleistet und war zur See gefahren.
„[…] wegen ihres übeln verhaltens und Gottlosen Lebens halber, auch wegen verleuchnung ihres weiblichen Geschlechts […]“ Begründung im Gefangenenbuch des Hamburger Spinnhauses für die Festsetzung Catharin Rosenbrocks, 5. Januar 1684.
Es ist wenig über sie bekannt. Eigentlich nur dies: Catharin Rosenbrock wurde auf Betreiben ihrer Familie ins Spinnhaus eingeliefert, weil sie die Geschlechtergrenzen übertreten hatte. Ein Prozess fand nicht statt. Was nun war das für eine Einrichtung, in die Rosenbrock gesteckt wurde? Der Hamburger Senator Peter Rentzel stiftete 1660 das Spinnhaus, „damit alsolche boshafte Personen darin gebracht, zur Gottesfurcht und zur Arbeit angewiesen und von ihrem zeitlichen und ewigen Verderb errettet werden möchten“. Der hochgeschätzte Baumeister Hans Hamelau entwarf den Bau an der Binnenalster. Korinthische Säulen, also Säulen mit Blattwerk-Schmuck, kündeten vom edlen Zweck der Einrichtung. Das Spinnhaus finanzierte sich durch die Zwangsarbeit der Insass:innen. Die dort Eingesperrten hatten grüne Anstaltskleidung zu tragen. Sie mussten Wolle kratzen, spinnen und weben. Auch Kinder ab dem Alter von fünf Jahren wurden hierhin verbracht. Doch insbesondere die weiblichen Gefangenen waren vor allem „Frauen, deren Lebensweise nicht den moralischen und sittlichen Vorstellungen der damaligen Zeit entsprach. Vor ihrer Aufnahme ins Spinnhaus waren sie bereits bestraft, z. B. an den Pranger gestellt und öffentlich ausgepeitscht worden.“ So Rita Bake in ihren wegweisenden Forschungen über historisches Hamburger Frauenleben.
Die Festsetzung Rosenbrocks geschah „auff keine Jahre“, was so viel bedeutet wie „auf unbestimmte Zeit“. Es war nicht ungewöhnlich, dass Verwandte für eine Verbringung in die Anstalt sorgten. Kriterium war nicht unbedingt Strafbarkeit, sondern Missliebigkeit, d. h. ein nicht angepasstes Leben. Catharin Rosenbrock wurde „auf der Schlöpe“, einer Art Schlitten, ins Spinnhaus hineingezogen – das war entehrend und erhöhte den Spott und den Abscheu der Umstehenden. Sah jemand dieser Schandstrafe zu? Vorstellen können wir uns das gut: eine johlende Menge, die sich wohlig gruselt und hämisch freut, dass da ihre Nachbar:in oder Feind:in oder eine durch Gerüchte wohlbekannte Person rausgeschafft wird aus einer Gemeinschaft, zu der die Einzelnen zu gehören meinen. Rausgeschafft aus einer Gemeinschaft, deren Regeln sie selbst besser nicht hinterfragen. Das Zuschauen bei der Bestrafung einer, die Gottes gute Gesetze böswillig mit Füßen tritt, hebt die Zuschauenden selbst empor.
Und Catharin Rosenbrock selbst? Wie hat sie diese Demütigung überstanden? Wie sah sie auf sich selbst? Als Mann? Als Frau? Oder hatte sie diese Kategorien für sich selbst für ungültig erklärt? Wie war ihr Leben in der Armee und auf See? Wurde sie „enttarnt“?
Nur zwölf Tage verbrachte sie im Spinnhaus, dann wurde sie in den Pesthof auf St. Pauli gebracht. Wahrscheinlich hatte sie eine ansteckende Krankheit. All das sind Vermutungen. Vermuten, phantasieren und uns erinnern an Rosenbrock können wir im südlichen Wallringpark bei dem einzigen Baurest des im 19. Jahrhundert abgebrannten Spinnhauses. Am Museum für Hamburgische Geschichte ist an der nach St. Pauli weisenden Seite das Portal des Spinnhauses angebracht. Es trägt den erwähnten Säulenschmuck, zwei Löwen, das Wappen der Familie Rentzel und die lateinische Inschrift: „Nach der letztwilligen Verfügung des Herrn Peter Rentzel seligen Angedenkens ist zur Ehre Gottes und zur Besserung der Übeltäter dieses Arbeitshaus auf seine Kosten erbaut worden.“
Literatur zum Spinnhaus und zu Catharin Rosenbrock:
https://www.hamburg.de/clp/frauenbiografien-schlagwortregister/clp1/hamburgde/onepage.php?BIOID=3783
Jakob Michelsen, Von Kaufleuten, Waisenknaben und Frauen in Männerkleidern. Sodomie im Hamburg des 18. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Sexualforschung, Jg. 9, H. 3 (September 1996), S. 205–237, hier: S. 223 u. S. 230–231, Anm. 30
Ulf Bollmann, Das älteste Gefangenenbuch des Hamburger Spinnhauses von 1669 bis 1688. Eine sozialgeschichtliche Betrachtung aus dem Blickwinkel eines Familienforschers, in: Genealogie. Deutsche Zeitschrift für Familienkunde, Jg. 55, H. 4 (Oktober–Dezember 2006), S. 305–324; Jg. 56, H. 2 (April–Juni 2007), S. 581–592; Jg. 56, H. 3 (Juli–September 2007), S. 676–687; hier: S. 679
* Bildquelle: Staatsarchiv Hamburg
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