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BENGTA BISCHOFF / 1909-1987


Geboren am 4. April 1909 in Hamburg, gestorben am 3. April 1987 in Kaltenkirchen bei Hamburg. Autorin von „Das gelbe Haus am Pinnasberg oder die 36 Eros-Brüder von St. Pauli“, erschienen 1970.

„[…] die lüsterne Petra saß breitbeinig da und trank einen Cocktail nach dem anderen.“ (S. 41)

Von der Hamburger Kapitänswitwe und Hausfrau gibt es drei trashige Romane, von denen der mittlere – „Das gelbe Haus am Pinnasberg“ – der bekannteste ist. Erst mit 60 Jahren schrieb sie diesen ihren Erfolgsroman. Sie wohnte in der Nähe der Herbertstraße.

Der Roman um ein Bordell, in dem Männer arbeiten und Frauen sie für sexuelle Dienstleistungen bezahlen, entstand angeblich auf Anregung des Hamburger Schriftstellers Peter Rühmkorf, der sich „in den literarischen Untergrund“ aufmachte – so lautet der Untertitel seiner 1969 erschienenen Sammlung „Über das Volksvermögen“.


Der Roman erschien in der Zeit von Aufbruch, Revolte und Revolutions-Hoffnung. Es war auch die Geburtsstunde der Neuen Frauenbewegung (wozu Bengta Bischoff sich sicherlich nie gezählt hätte). Der Roman erschien zuerst in der linken Studierenden-Zeitschrift „Konkret“, die damals zunehmend auf Sex in Bild und Wort setzte. Für „Konkret“ schrieben linke Aktivist:innen, unter ihnen Ulrike Meinhof. Also eine heute wohl befremdlich erscheinende Mischung, die von der DDR subventioniert wurde.


Das Vorwort der Buchausgabe rühmt die „groteske Mischung aus genauester Milieuschilderung und Wunschutopie“. Man(n) hoffe, mit dem kleinen Roman „einen krampflösenden Beitrag zur sonst so bierernsten Emanzipationsdiskussion“ zu liefern.


Bereits im selben Jahr erschien der Film zum Buch, der „das gelbe Haus“ und den Pinnasberg enorm populär machte. Regisseur war der durch seine trashigen Edgar-Wallace-Verfilmungen bewährte Alfred Vohrer, der ein paar seiner Stars zum Set brachte. Durch die Filmerzählung führt Bengta Bischoff höchstselbst, ein interessanter Kontrast zur Sexkomödie um die Liebesdiener und Liebeskäuferinnen. (In Wirklichkeit gab und gibt es kein solches Bordell.) Der Film zeigt ein raues und ranziges St. Pauli, das es so nicht mehr gibt. Auch das (gelbe!) Haus, vor dem Bengta Bischoff im Film spricht, ist in den 1980er Jahren durch einen Neubau ersetzt worden. Der Regisseur erlaubt sich die Freiheit, es am Ende einstürzen zu lassen. Übrigens erinnert die gelbe Fassade des Parkhauses gegenüber an den Mythos.


Wichtige Fragen: Warum gehen die Frauen in ein Haus, um Hetero-Sex zu kaufen? Und worin besteht die Dienstleistung?

Sie tun es aus Gesundheitsgründen. Die Frauen sprechen allgemein von einer „Wohltat“. So geht’s der Kundin Alma Brandes aus der Paul-Roosen-Straße, sie kommt zweimal wöchentlich. Der Therapie-Erfolg: „[…] wie gut, daß es den Männerpuff gibt. Ich bin meine ganzen Mitesser los.“ (S. 15) Auch gegen Unruhe, bei Durchblutungs- und Verdauungsstörungen hilft der Besuch auf dem Pinnasberg.


Die „Erosbrüder“, wie Bischoff sie nennt, oder „Zibellis“ (nach dem gleichnamigen Bordellchef) nutzen künstliche Penisse für ihren Job:

„[Mister Brown] trug, wie alle Zibellis, am Tage bei der Arbeit einen künstlichen Penis, der mit Haferschleimsuppe gefüllt ist und bei einem Druck am Gürtelknopf sich öffnet und etwas über die Besucherin ergießt. Diese Penisse sind von einer bekannten pharmazeutischen Firma geliefert und fühlen sich an wie rohes, hartes Fleisch. Beim Druck eines zweiten Knopfes werden sie steif und geschmeidig. Es ist eine enorme und wunderbare Erfindung für alle Puffs, Eheleute […].“ (S. 29)


Bengta Bischoff, Das gelbe Haus am Pinnasberg oder die 36 Eros-Brüder von St. Pauli, Hamburg 1970 (Konkret-Verlag)







*Bildquelle : Ebru Durupinar Photography vom Filmplakat "Das gelbe Haus am Pinnasberg"

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